Katerstimmung in der Schorndorfer Grauhalde

Eigentlich war in der Schorndorfer Grauhalde alles perfekt für eine weitere Ringkampf-Party vorbereitet. Volle Ränge, gute Stimmung, ein hoch motiviertes Team des ASV Schorndorf – alle waren heiß auf die Revanche gegen den ASV Mainz 88 für das verlorene Meisterschafts-Finale von 2022/23.

Und doch kam alles anders, als es das Drehbuch für den Samstagabend vorgesehen hatte. Es waren nicht die in dieser Saison ungeschlagenen Gastgeber, die den Grundstein für ihren Halbfinal-Einzug legten, sondern die in der Hauptrunde enttäuschenden Rheinhessen, die einen überraschend hohen 18:11-Auswärtssieg bejubelten und nun für den Rückkampf am kommenden Samstag alle Trümpfe in der Hand halten.

Dass Burak Demir zum Start in den Abend im Freistil bis 61 Kilogramm vier Punkte gegen den ehemaligen U23-Europameister Andrii Yatsenko abgeben würde, war einkalkuliert – genauso wie der 4:0-Punktsieg von Jello Krahmer gegen den Ex-Schorndorfer Ilja Klasner auf dem Matchplan stand.

Doch der dritte Kampf sorgte dann urplötzlich für Schockstarre im ASV-Lager. Mairbek Salimov ging als Favorit gegen Manrikos Theodoridis auf die Matte, doch schon nach 30 Sekunden lief er dem Griechen bei einem Angriffsversuch voll ins Messer und konnte sich mit Ach und Krach noch aus einer gefährlichen Lage befreien. Statt nun auf der Hut zu sein, startete der Dritte der U23-EM nur wenige Sekunden später exakt dieselbe Aktion noch einmal – und erneut bedankte sich Theodoridis, der diesmal jedoch den Sack zumachen und Salimov auf die Schultern legen konnte. Eine Niederlage des Polen war im Matchplan des ASV nicht vorgesehen, eine Schulter-Niederlage, die den Mainzern vier Mannschaftspunkte einbrachte, erst recht nicht.

Doch dem Team des Trainergespanns Sedat Sevsay und Jörg Sänger blieb an dieser Stelle erstmal keine Zeit zum Hadern, stand doch im Anschluss direkt das Duell von Ertugrul Agca gegen Wladimir Remel an – ein Kampf auf Augenhöhe, den der 24-jährige Schorndorfer mit 3:1 für sich entscheiden konnte.

Wer nun mit einem Aufbäumen des ASV und einer standesgemäßen Aufholjagd gerechnet hatte, sah sich jedoch getäuscht, denn im letzten Kampf vor der Pause folgte ein weiterer Tiefschlag: Dawid Wolny hatte gegen Alexander Semisorow zwar stark begonnen und war schnell mit 4:0 in Führung gegangen. Doch der Mainzer Routinier drehte den Spieß um und lag kurz vor Ende der sechs Minuten mit 6:4 in Front. Doch dann wurde der 29-Jährige Schorndorfer bei seinem letzten Angriff ausgekontert landete ebenfalls auf den Schultern.

Von diesem Schock direkt vor der Pause erholte sich der ASV Schorndorf an diesem Abend nicht mehr. Wieder einmal wurde deutlich, dass eine Siegesserie Segen und Fluch zugleich sein kann. Teams, die mit Niederlagen umzugehen gewohnt sind, wissen mit unvorhergesehenen Rückschlägen umzugehen. Der ASV dagegen konnte sich aus dieser Abwärtsspirale nicht mehr befreien.

Gleich drei der fünf verbliebenen Kämpfe wurden in den letzten Sekunden zu Gunsten des ASV Mainz 88 entschieden. Akzhol Makhmudovs vermeintlicher Punkt zum 5:5 im Duell der Weltmeister gegen Burhan Akbudak vier Sekunden vor dem Schlussgong wurde per Videobeweis in ein 4:6 umgewandelt. Shamil Ustaev hatte sich erfolgreich gegen einen Überlegenheitssieg gegen Timur Bizhoev gewehrt, nur um dann nach beendetem Kampf, ebenfalls nach einem Protest der Gegner und dem Video-Replay, disqualifiziert zu werden. Und auch bei Stas David Wolf gab es zum Ende des Kampfes eine „Challenge“ des Mainzer Trainers, die aus einem knappen Sieg des Schorndorfers eine 5:6-Niederlage machte.

Dass Iuri Lomadze und Ahmet Yilmaz in ihren Kämpfen jeweils die erwarteten vier Punkte für den ASV holten, war angesichts des hohen 11:18-Debakels nur noch eine Randnotiz.

„Ich bin schlichtweg sprachlos“, schüttelte Jörg Sänger nach dem Ende des Viertelfinal-Hinkampfs den Kopf. „Nach der ersten Schulterniederlage war ich schockiert, die zweite hat sich angefühlt, als würde mir das Herz rausgerissen. Heute ist alles gegen uns gelaufen, es war aber auch kein Aufbäumen mehr da. Dieses ‚Jeder für jeden‘, das unsere Mannschaft die ganze Saison über ausgezeichnet hat, gab es heute nicht. Alle haben den Kopf in den Sand gesteckt, und jetzt stehen wir da und müssen schauen, wie wir am nächsten Samstag in Mainz mit acht Punkten Vorsprung gewinnen. Aber das ist Sport. Leider gehören solche Situationen dazu, auch wenn wir das heute nicht wahr haben wollen.“

Jörg Sänger und Sedat Sevsay haben nun die heikle Aufgabe, für den Rückkampf exakt die richtigen Athleten auszuwählen, die auswärts in Mainz das Unmögliche möglich machen und einen Sieg mit mindestens acht Punkten Abstand holen können. „Wir haben einen großen Kader und alle Ringer sind verfügbar. Ich glaube an das Weihnachtsmärchen“, gab sich Jörg Sänger gleich wieder kämpferisch.

ASV Schorndorf – ASV Mainz 88 11:18 (3:12)

61 kg FR: Demir – Yatsenko 0:16 TÜ (0:4).
130 kg GR: Krahmer – Klasner 4:0 PS (2:4).
66 kg GR: Salimov – Theodoridis 0:4 SS (2:8).
98 kg FR: Agca – Remel 3:1 PS (3:8).
71 kg FR: D. Wolny – Semisorow 4:8 SS (3:12).
86 kg GR: Makhmudov – Akbudak 4:6 PS (3:13).
75 kg GR: Lomadze – Alsibai 11:0 DQ (7:13).
80 kg FR: Wolf – Taherkhani 5:6 PS (7:14).
75 kg FR: Ustaev – Bizhoev 0:15 DQ (7:18).
80 kg GR: Yilmaz – M. Wolny 16:0 TÜ (11:18).

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