Spartaner nehmen die Festung Burghausen ein

An dem Tag, als Bundesliga-Serienmeister SV Wacker Burghausen zum letzten Mal vor eigenem Publikum auf der Matte eine Niederlage einstecken musste, verhandelten Angela Merkel, Horst Seehofer und Martin Schulz gerade über eine Neuauflage der Großen Koalition, US-Präsident Donald Trump kündigte seine Pläne für eine große Mauer entlang der Grenze zu Mexiko an und Sandro Wagner erzielte im Trainingslager sein erstes Tor für den FC Bayern München. Es war der 6. Januar 2018 und die Ringer aus Oberbayern unterlagen gegen den ASV Mainz 88 mit 10:14.

2.472 Tage später setzte der ASV Schorndorf am Samstag nun der mehr als sechseinhalb Jahre andauernden Heimserie des SV Wacker ein Ende: Das Team des Trainergespanns Sedat Sevsay und Jörg Sänger entführte bei seinem vielumjubelten 14:13-Sieg die Punkte aus der Burghausener Sportparkhalle und feierte im fünften Saisonkampf seinen fünften Sieg.

Schon 45 Minuten vor Kampfbeginn war an der Waage klar, dass sich die Zuschauer auf einen hochklassigen Bundesligakampf freuen durften, dessen Ausgang vermutlich erst im letzten der zehn Mattenduelle final entschieden werden würde.

Dabei begann der Abend für die Gäste aus Schorndorf alles andere als glücklich. Burak Demir hatte gegen den Olympiadritten Gulomjon Abdullaev die Aufgabe bekommen, ein vorzeitiges Kampfende möglichst zu vermeiden. Doch der 22-Jährige war gegen den Usbeken auf verlorenem Posten, musste sich nach 2:41 Minuten auf Schulter geschlagen geben und der ASV nahm die Hypothek eines 0:4-Rückstandes mit in die nächsten Kämpfe.

Eine ähnliche Aufgabe muss der Burghausener Alexander Kreimer gegen Jello Krahmer mit auf den Weg bekommen haben. Obwohl er dem Schorndorfer Aushängeschild bei weitem nicht das Wasser reichen konnte, vermied er bei seiner 0:12-Niederlage tatsächlich die volle Punktzahl für seinen Gegner.

In der Gewichtsklasse Griechisch-Römisch bis 66 Kilogramm traf Georgios Scarpello einmal mehr auf seinen Dauerrivalen Fabian Schmitt, gegen den er bislang noch nie gewinnen konnte. Auch diesmal rannte der Deutsche Meister lange einem 0:2-Rückstand hinterher. Doch diesmal schaffte der 22-Jährige das scheinbar Unmögliche: Mit purer Willenskraft gelang ihm nach knapp fünf Minuten ein Durchdreher, der ihm nicht nur den 2:2-Ausgleich einbrachte, sondern aufgrund der letzten Wertung auch seinen Premierensieg gegen Schmitt.

Einen eigenartigen Kampf erlebten die Fans im Freistil bis 98 kg zwischen Erik Thiele und Ertugrul Agca. Bei der ersten Aktion des Kampfes nach 16 Sekunden sprach Kampfrichterin Ramona Scherer dem Burghausener vier Punkte und dem Schorndorfer einen Zähler zu. Danach passierte fast sechs Minuten lang gar nichts mehr – keine Verwarnung, keine Ermahnung und keine Wertung – und es blieb beim 4:1 für Thiele.

Beim Stand von 4:6 sah sich der ASV Schorndorf zu diesem Zeitpunkt bereits auf der Verliererstraße, zumal im letzten Kampf vor der Pause noch Weltmeister Iszmail Muszukajev auf Dawid Wolny wartete. Doch der 29-Jährige fand die richtigen Mittel, um den Ungarn zu ärgern. Beim 0:8 gab er nur drei statt der einkalkulierten vier Zähler ab. „Dieser eine Punkt, den Dawid hier gerettet hat, könnte am Ende für den Ausgang des Bundesliga-Kampfs entscheidend sein“, orakelte ASV-Coach Jörg Sänger in der Halbzeitpause. Er sollte recht behalten.

In der zweiten Hälfte des Abends gaben die Spartaner aus der Daimlerstadt von fünf Duellen nur noch eines ab.

Akzhol Makhmudov gewann gegen Roland Schwarz durch eine konzentrierte Leistung mit 9:1 und brachte sein Team damit von 4:9 wieder auf 7:9 heran.

Danach tat sich Iuri Lomadze gegen den bekannt unangenehmen Michael Widmayer lange extrem schwer. Nach einem 0:2-Rückstand bis zur 30-sekündigen Pause ging der Georgier in Hälfte zwei All-In, konnte noch drei Wertungen erzielen und den Kampf schließlich mit 4:2 für sich entscheiden.

Zum ersten Mal in dieser Saison kam dann im Freistil bis 80 kg der aus Mainz gekommene Neuzugang Murad Kuramagomedov zum Einsatz. In einem Duell auf Augenhöhe gewann der ungarische EM-Fünfte gegen den ehemaligen Juniorenweltmeister Zelimkhan Khadjiev mit 5:0. Der ASV Schorndorf hatte aus dem Pausenrückstand eine 10:9-Führung gemacht.

Obwohl abzusehen war, dass Shamil Ustaev gegen den Ex-Weltmeister David Baev vorzeitig unterliegen würde, war den Gästen der Sieg zu diesem Zeitpunkt nur noch theoretisch zu nehmen. Denn nach dem ungleichen Duell im Freistil bis 75 kg, das Ustaev tatsächlich nach 3:43 Minuten technisch unterlegen verlor, stand nur noch der Kampf von Ibrahim Ghanem gegen den jungen Baschir Kartojev an. Der französische Weltmeister von 2023 tat exakt, was von ihm erwartet worden war: Er feierte nach fünfeinhalb Minuten einen Überlegenheitssieg und sicherte seinem ASV Schorndorf den vielumjubelten 14:13-Auswärtssieg.

„Ganz ehrlich: Hätte man uns zur Halbzeit ein Unentschieden angeboten, wir hätten es sofort genommen“, gab Jörg Sänger am Ende zu. „Jetzt sind wir überglücklich, dass es sogar ein Sieg geworden ist. Ein ganz großes Kompliment an das Team, das das Ding mit puren Emotionen und enormer Willensstärke nach Hause gebracht hat.“

Bereits am nächsten Samstag wartet die nächste schwere Aufgabe auf den ASV, wenn er den Tabellendritten SV Germania Weingarten in der heimischen Grauhalde empfängt.

SV Wacker Burghausen – ASV Schorndorf 13:14 (9:4)

61 kg FR: Abdullaev – Demir 8:0 SS (4:0).
130 kg GR: Kreimer – Krahmer 0:12 PS (4:3).
66 kg GR: Schmitt – Scarpello 2:2 PS (4:4).
98 kg FR: Thiele – Agca 4:1 PS (6:4).
71 kg FR: Muszukajev – Wolny 8:0 PS (9:4).
86 kg GR: Schwarz – Makhmudov 1:9 PS (9:7).
75 kg GR: Widmayer – Lomadze 2:4 PS (9:8).
80 kg FR: Khadjiev – Kuramagomedov 0:5 PS (9:10).
75 kg FR: Baev – Ustaev 16:0 TÜ (13:10).
80 kg GR: Kartojev – Ghanem 0:15 TÜ (13:14).

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