Mit Weltmeister Stäbler ist ASV Schorndorf Mitfavorit auf deutsche Meisterschaft

Von ZVW/Mathias Schwardt
Ringen, Bundesliga: Am Samstag beginnt die Runde mit dem Heimkampf gegen Nürnberg – und Weltmeister Stäbler?
In dieser Saison ist alles ein wenig anders. Und nicht nur wegen Corona. Im vergangenen Jahr wurde vom ASV Schorndorf als Aufsteiger Gutes in der Bundesliga-Staffel Südost erwartet, die Mannschaft war aber kein Titelkandidat. Heuer wäre es eine Enttäuschung, würde das mit Spitzenathleten gespickte Team die Play-offs verpassen. Einen Mann wie Frank Stäbler holt man nicht umsonst. In Schorndorf allerdings wird die Verpflichtung des dreifachen Weltmeisters und zweifachen Europameisters auch kritisch gesehen.
Von ASV-Vorstandsmitglied und Trainer Sedat Sevsay ist viel Geduld gefordert. Gibt es denn kein anderes Thema? Der Vorwurf der Mäkler an den Verein: zuerst wegen finanzieller Einbußen durch Corona die Stadt Schorndorf um Hilfe bitten, dann 20 000 Euro einsacken – während etwa bei Kultureinrichtungen gekürzt wird – und dann einen Superstar verpflichten, der sicher nicht bloß drei Euro fünfzig kostet.
Sevsay muss gebetsmühlenhaft erklären, was wirklich Sache ist: Frank Stäbler koste den ASV Schorndorf nichts, sondern spare ihm sogar Geld. Denn der Athlet, gekommen vom deutschen Vizemeister Red Devils Heilbronn, der wegen finanzieller Bedenken in dieser Saison nicht antritt, werde komplett von einem Sponsor finanziert. Der heißt Hans-Jörg Stängle und ist seit Urzeiten beim ASV „mit Herzblut“ (Sevsay) engagiert. Dank des früheren Ringers und Vorsitzenden habe der Verein nun einen Athleten weniger zu bezahlen.
Auch zur vom Gemeinderat abgesegneten städtischen Finanzspritze hat Sevsay eine klare Meinung: „Ich habe kein schlechtes Gewissen. Jeder Verein hat die Möglichkeit, sich an die Stadt zu wenden. Wir haben schon Anfang Mai unsere Lage transparent gemacht. Wir haben die Hosen runtergelassen und Einblick in unsere Zahlen gewährt.“ Zudem bilde der ASV mit seiner 112-jährigen Geschichte zusammen mit Daimler und der Manufaktur einen der Markenkerne in Schorndorf. Und der ASV sei in Sachen Finanzen ja auch selbst aktiv geworden. Das Crowdfunding läuft noch.
Die Spannung vor der Saison, von der lange keiner wusste, ob sie überhaupt stattfinden würde, ist riesig. Der ASV weckt Interesse und mit Stäbler noch mehr – obwohl offen ist, wie oft er für den Verein antreten wird. Wenn Corona nicht wäre, sagt Sevsay, hätten die Schorndorfer die Sporthalle Grauhalde diesmal wohl des Öfteren annähernd so voll bekommen wie in der vergangenen Saison beim Kampf gegen Heilbronn, den 1200 Zuschauer verfolgten.
Rund 500 Fans strömten durchschnittlich zu den anderen Heimkämpfen. In der kommenden Saison sind laut Hygienekonzept inklusive Helfern, Ringern, Funktionären, Pressevertretern und geladenen Gästen aber nur rund 300 Menschen in der Halle zugelassen. Eine Abendkasse gibt es nicht, nur Dauerkartenbesitzer dürfen kommen. 200 Saisontickets hatte der ASV angeboten. „Die waren nach einer Woche komplett ausverkauft“, freut sich Sevsay.
Trainer Sevsay ist stolz auf die starke „deutsche Achse“
Das Interesse ist gerechtfertigt. Wie in der ersten Bundesliga-Saison tritt Schorndorf in der stärksten der drei Gruppen, der Staffel Südost an. Als Ziel nennt Sevsay die Qualifikation für die Endrunde um die deutsche Meisterschaft. Mindestens Zweiter unter den sechs Staffelteams muss der ASV dafür werden. Das ist nicht zu hoch gegriffen, die Mannschaft ist herausragend besetzt. Stolz ist Sevsay auf die starke „deutsche Achse“ mit gleich mehreren Athleten, die mindestens Medaillen bei nationalen Titelkämpfen gewonnen haben.
Star des Teams ist natürlich Frank Stäbler. Wieder mit dabei sind aber auch die beim ASV groß gewordenen Publikumslieblinge Jello Krahmer, EM-Bronzemedaillengewinner 2020 in der Gewichtsklasse bis 130 Kilogramm griechisch-römisch, und Ilja Klasner, DM-Dritter 2019 im Halbschwergewicht (GR). Genutzt hat der Verein auch die vom Deutschen Ringer-Bund geschaffene Möglichkeit, Athleten von Clubs, die heuer nicht an der Runde teilnehmen, als Gästeringer zu verpflichten. Der EM-Dritte Hannes Wagner (86 kg) vom AC Lichtenfels ist eine große Verstärkung für die Schorndorfer.
Ringer aus Risikogebieten dürfen wohl nicht eingeflogen werden. Zahlreiche Deutsche im Team zu haben, könnte in Zeiten von Corona ein entscheidender Vorteil sein. Denn bei Ringern aus Ländern, die als Risikogebiet eingestuft sind, ist die Gefahr groß, dass sie nicht eingeflogen werden dürfen. Auch den ASV könnte es zwar bei einigen türkischen Athleten treffen, bei einigen anderen Clubs aber ist das Problem laut Sevsay deutlich größer. Die Stärke der Mannschaften ist deshalb kaum einzuschätzen. „Mal sehen, welche Teams die Vereine auf die Matte bringen.“
Trotz aller Widrigkeiten: Meisterschaftsfavorit ist für den ASV-Coach erneut Staffel- Konkurrent SV Wacker Burghausen. Auch wenn der angekündigt hat, in diesem Jahr kleinere Brötchen backen zu wollen. Die Burghausener haben den Spieß kurzerhand umgedreht und Schorndorf zum Titelanwärter ernannt. Sevsay schätzt aber auch die Konkurrenten SC Siegfried Kleinostheim und SV Johannis Nürnberg sehr hoch ein. Just gegen Letzteren geht es gleich zum Auftakt an diesem Samstag, 19.30 Uhr, in der Sporthalle Grauhalde.
In der vergangenen Saison hatte der ASV Schorndorf zwar den Hinrundenkampf zu Hause gewonnen, verlor aber das Kräftemessen in Nürnberg. Für Sedat Sevsay ist deshalb klar, dass er eine Topmannschaft ins Rennen schicken muss, um den Gegner zu bezwingen. Wird also Frank Stäbler gleich sein Debüt für den ASV geben? „Es besteht eine sehr große Chance, dass er am Start ist“, sagt Sevsay. Ein guter Coach hält sich eben immer ein Hintertürchen offen, auch wenn es winzig ist.
Kader des ASV Schorndorf
57 kg: Engin Cetin (Freistil), Serif Kilic (Griechisch-Römisch).
61 kg: Hamza Alaca, Oliver Müller (beide FR), Razvan Arnaut (GR).
66 kg: Ramzan Awtaev (FR), Abdolmohammad Papi, Theodoridis Monrikos (beide GR). 71 kg: Dawid Wolny, Shamil Ustaev (beide FR). 75 kg: Maximilian Schwabe, Benny Rebholz, Frank Stäbler (alle GR).
80 kg: Benjamin Sezgin, Zalik Sultanov (beide FR).
86 kg: Hannes Wagner (GR).
98 kg: Ertugul Agca (FR), Ilia Klasner (GR).
130 kg: Fatih Yasarli (FR), Jello Krahmer (GR).
Die Saisonkämpfe des ASV werden als kostenpflichtiger Livestream übertragen und kommentiert (www.fight24.tv/fightpasses/fight24-schorndorf-vs-nurnberg-216).

Foto: Jens Körner
Im Jahr 2018 feierte Frank Stäbler mit dem Finalsieg über den Ungarn Balint Korpasi (rechts) in der Gewichtsklasse bis 72 Kilogramm griechisch-römisch seinen dritten Weltmeistertitel. Nun ringt er dank Sponsor Hans-Jörg Stängle für den ASV Schorndorf.

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