Der ASV Schorndorf ist Deutscher Meister

50 Jahre nach dem Gewinn seiner ersten deutschen Meisterschaft hat der ASV Schorndorf am Samstagabend den zweiten „Stern“ geholt. Das Team des Trainergespanns Sedat Sevsay und Jörg Sänger drehte den Drei-Punkte-Rückstand aus dem Hinkampf und gewann in der Linde MH Arena in Aschaffenburg gegen den SC Kleinostheim mit 17:7.

Schon als Murad Kuramagomedov im drittletzten der zehn Kämpfe über 75 kg Freistil einen knappen Punktsieg gegen Rasul Shapiev gelandet hatte, war den Remstälern die Meisterschaft nur noch theoretisch zu nehmen. Ruslan Kudrynets hätte im vorletzten Kampf sogar drei Mannschaftspunkte abgeben können – was er aber nicht tat. Er gewann seinen Kampf gegen Artur Tatarinov knapp, und als die letzten Sekunden des sechsminütigen Kampfes heruntergezählt waren, stürmte das ASV-Team mit Freudensprüngen die Matte und begrub den Deutsch-Ukrainer unter sich.

Schweigeminute für Opfer des Messer-Attentats

Bevor jedoch gefeiert werden konnte und es auf der Matte zur Sache ging, wurde es vor dem Beginn des zweiten Finalkampfs unter den 4000 Zuschauern still. Der Hallensprecher erinnerte mit stockender Stimme an die Opfer des Messer-Attentats in Aschaffenburg vom Donnerstag und forderte zur Schweigeminute auf. Eine Minute lang war die Trauer, die in der Stadt herrscht, auch in der Halle spürbar.

Mehrere Hundert Schorndorfer Fans hatten sich auf den Weg nach Unterfranken gemacht, um ihre Spartaner anzufeuern. Diese konnten personell aus dem Vollen schöpfen und schafften es diesmal, trotz der Punkte-Handicap-Regelung eine vollwertige Mannschaft ins Rennen zu schicken, ohne den einen oder anderen Kampf vorab schon abschenken zu müssen.

Gleich im ersten Duell des Abends legte Georgios Scarpello, angefeuert von „Georgi, den packst du“-Sprechchören der Schorndorfer Fans, mit einem 2:1-Punktsieg den Grundstein zum Erfolg. Der 22-Jährige war nach seiner Verletzung vom Halbfinale wieder genesen und bekam es mit dem international erfahrenen Litauer Justas Petravicius zu tun – ein Gegner, mit dem die Schorndorfer nicht unbedingt gerechnet hatten. „Die wussten, dass ich angeknackst war, und haben ihre Chance gewittert, wenn sie einen ihrer ausländischen Ringer gegen mich setzen. Dass ich hier gewinnen konnte, war für mich unbeschreiblich und es hat dem Team das Gefühl gegeben, dass wir es tatsächlich schaffen können“, strahlte ein überglücklicher Georgios Scarpello, der sich bei den Ärzten bedankte, die dafür gesorgt hatten, „dass ich so belastungsfähig sein konnte“.

Mohsen Siyar setzt nach der Pause zum Comeback an

Auch der zweite Kampf lief ganz anders, als es sich die Gastgeber ausgemalt hatten. Shamil Sharipov hatte im Freistil bis 130 kg den Schorndorfer Mohsen Siyar gut im Griff. Beim Stand von 5:0 stand der ASV-Athlet bereits am Rande einer Schulter-Niederlage, konnte sich jedoch akrobatisch in die Pause retten. Zwar punktete Sharipov noch mal doppelt zum 7:0, doch nach einer kurzen Behandlungszeit ging bei dem Dritten der Asienspiele nichts mehr. Siyar startete eine Aufholjagd, verkürzte auf 7:6 und gab damit nur einen Mannschaftspunkt ab. „Das war ein sensationelles Comeback“, freute sich Sedat Sevsay über die Leistung seines Schützlings.

Ayub Musaev wandelt Vorsprung in Überlegenheitssieg

Dritter Kampf, dritte Überraschung: Ayub Musaev schaffte es 0,3 Sekunden vor dem Ende seines Kampfes gegen MMA-Kämpfer Saba Bolaghi, einen 13:0-Vorsprung in einen Überlegenheitssieg umzuwandeln und damit gleich vier Punkte für sein Team zu holen.

Während die ASV-Ringer immens selbstbewusst zur Sache gingen, sprach die Körpersprache der Gastgeber Bände. Es wurde nicht nur für Experten sichtbar, dass diese ersten drei Duelle deren Matchplan völlig auf den Kopf gestellt hatten.

11:1 führt der ASV Schorndorf zur Pause

Lucas Lazogianis besiegte Pascal Eisele 12:0 („Drei Punkte für das Team waren eigentlich auch das Ziel, ich habe mich am Ende aber fast geärgert, dass es keine vier wurden“) und Iuri Lomadze fügte dem ASV-Punktekonto mit einem 11:0 gegen Deniz Menekse noch drei weitere Zähler hinzu, so dass es mit einer Schorndorfer 11:1-Führung in die Kabinen ging.

„Ahmet Yilmaz holt gegen den Jugendringer eine sichere vier und einen Kampf werden wir noch deutlich verlieren“, orakelte Coach Jörg Sänger in der Halbzeit. „Und dann muss von Murad Kuramagomedov, Ruslan Kudrynets und Stas Davis Wolf nur noch einer seinen Kampf gewinnen und wir sollten durch sein.“

Shamil Ustaev unterlag zum Start in Hälfte zwei vorzeitig gegen den um zehn Kilogramm schwereren Joshua Morodion, ehe Punktegarant Murad Kuramagomedov gleich im Anschluss gegen Rasul Shapiev mit 2:0 den geforderten Sieg holte. Weltmeister Ahmet Yilmaz landete gegen den Jugendlichen Aaron Melle einen Schultersieg, so dass klar war: Wenn dem Kleinostheimer Artur Tatarinov gegen Ruslan Kudrynets kein Überlegenheits- oder Schultersieg gelingt, steht der ASV Schorndorf als Deutscher Meister fest. Als deutlich wurde, dass Kudrynets dies nicht zuließ, gab es kein Halten mehr. Die Party konnte beginnen – für alle, bis auf Stas David Wolf, denn dieser musste im bedeutungslos gewordenen letzten Kampf noch mal gegen Khamzat Eldarov ran (2:5).

Hollywood hätte es nicht besser machen können

„Hollywood hätte kein besseres Drehbuch schreiben können. Dass wir vor einer solchen Kulisse mit so vielen mitgereisten Fans nach einem Drei-Punkte-Rückstand den zweiten Stern holen – und das auch noch fast auf den Tag genau 50 Jahre nach dem ersten Meistertitel -, ist einfach unbeschreiblich. Wir werden jetzt erst mal feiern, und zwar ziemlich heftig“, sprudelte es aus Vorstand und Trainer Sedat Sevsay heraus. „Ich freue mich so für unsere gesamte ASV-Familie. Den Titel möchte ich aber meiner Vorstandskollegin Elke Scherer widmen, die heute leider nicht dabei sein konnte. Sie ist 24/7 für den Verein da und ohne sie wäre das hier alles nicht möglich gewesen.“

Trainer voll Dankbarkeit

Auch Trainerkollege Jörg Sänger widmete seinen Titel einer besonderen Person: „Ich habe meine Medaille meiner Frau umgehängt, denn sie hat mir jetzt fünf Monate lang den Rücken freigehalten und mich dabei kaum zu Gesicht bekommen. Mein Dank geht aber auch an den AC Goldbach. Denn in deren Halle konnten wir uns vor den Toren von Aschaffenburg heute in Ruhe auf das Finale vorbereiten. Und dann unsere Fans … Es ist fantastisch, dass so viele mitgekommen sind und unser Team so sensationell angefeuert haben.“

Extramotivation, so Jörg Sänger weiter, habe man vom Ärzte- und Physioteam um Dr. Kai Täubel und Gregor Blankenhagen bekommen, deren Praxis am letzten Sonntag bei einem verheerenden Brand zerstört worden war: „Als die beiden Mitte der Woche signalisiert haben, dass sie mitfahren, hat uns das noch mal einen Push gegeben. Wir wollten den Titel auch für sie holen.“

Jello Krahmer erinnert sich

Teamkapitän Jello Krahmer erinnerte im Jubel um den zweiten Meistertitel daran, wo der ASV Schorndorf eigentlich hergekommen ist: „Wir haben 2012 in der Landesklasse neu begonnen. Das hier heute ist jetzt ein wunderschönes Resultat aus vielen Jahren unglaublich harter Arbeit. Das ist ein riesiger Erfolg für den ASV.“

Schorndorf kann nun seinen Deutschen Meister ASV feiern, der parallel bereits „erste Hausaufgaben im Bezug auf den Kader der nächsten Saison gemacht“ hat. Auch wenn man künftig der Gejagte sein wird, ist sich Lucas Lazogianis sicher: „Wir werden in den nächsten Jahren noch den einen oder anderen weiteren Stern feiern.“

SC Kleinostheim – ASV Schorndorf 7:17 (1:11).
61 kg GR: Petravicius – Scarpello 1:2 PS (0:1).
130 kg FR: Sharipov – Siyar 7:6 PS (1:1).
66 kg FR: Bolaghi – Musaev 0:15 TÜ (1:5).
98 kg GR: Eisele – Lazogianis 0:12 PS (1:8).
71 kg GR: Menekse – Lomadze 0:11 PS (1:11).
86 kg FR: Morodion – Usteav 15:0 TÜ (5:11).
75 kg FR: Shapiev – Kuramagomedov 0:2 PS (5:12).
80 kg GR: Melle – Yilmaz 0:15 SS (5:16).
75 kg GR: Tatarinov – Kudrynets 1:1 PS (5:17).
80 kg FR: Eldarov – Wolf 5:2 PS (7:17).

Text: Ralf Scherlinzky
Foto: Günter Schmid

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