Gold mit Verzögerung – Wenn ein Ringerfinale zur Achterbahnfahrt wird
Es war angerichtet: Das Finale der Klasse bis 72 kg zwischen dem in der Bundesliga für den ASV Schorndorf startenden Ibrahim Ghanem (FRA) und Levante Levai (HUN) versprach Spannung, Technik und Emotionen. Am Ende bekamen die Zuschauer all das – und dazu noch ein dramaturgisches Finale, das selbst Hollywood nicht besser hätte schreiben können.
Nach Ablauf der sechs Minuten leuchtete ein 4:4 auf der Anzeigetafel. Soweit, so spannend. Doch wer genau hinsah – oder besser gesagt: mitzählen konnte – kam ins Grübeln. Denn regulär hätte es 4:3 für Ghanem stehen müssen. Der mysteriöse vierte Punkt für Levai entstand durch eine zweite angeordnete Bodenlage in Halbzeit zwei und eine kleine Regelpanne mit großer Wirkung. Denn laut Regelwerk hätte die zweite angeordnete Bodenlage in der zweiten Hälfte keine Wertung geben dürfen.
Der mysteriöse Punkt und die Tücken des Regelbuchs
Levai erhielt also in Halbzeit Zwei eine weitere Wertung aus einer zweiten Bodenlage – was eigentlich nicht vorgesehen ist. Ghanem und sein Trainerteam protestierten – mit berechtigtem Hinweis auf die Regularien. Doch zunächst blieb der Protest unbeachtet. Die Jury entschied dass alles seine Ordnung sei. Ghanem erhielt sogar eine Gelbe Karte – wohl eher für seinen Einsatz als für ein Vergehen.
Selbst nach dem Videobeweis blieb es immer noch beim 4:4, bei dem Levai aufgrund der letzten Wertung als Sieger erklärt wurde. Für Ghanem ein bitterer Moment. Er hatte alles gegeben, taktisch klug agiert – und musste zusehen, wie sein Traum vom EM-Titel in Frage gestellt wurde.
Gold für beide – eine Premiere mit Seltenheitswert
Doch dann nahm das Drama eine unerwartete Wendung: Kurz vor der Siegerehrung wurde es hektisch in der Halle. Funktionäre eilten von A nach B, der Geräuschpegel stieg, und plötzlich war klar – da war doch noch etwas offen geblieben. Nach erneuter Prüfung erkannte man: Ja, da war ein Fehler passiert. Und ja, den sollte man korrigieren.
Die Lösung? Ein ganz besonderer Moment im Ringersport: Doppel-Gold! Sowohl Ibrahim Ghanem als auch Levante Levai wurden zu Europameistern erklärt. Eine seltene, aber versöhnliche Entscheidung, die das sportliche Können beider Athleten würdigt.
Sportlicher Sieger mit Haltung
Für Ghanem sicher ein Moment mit gemischten Gefühlen – doch er bewies wahre Größe. Trotz des Hin und Her blieb er fair, fokussiert und respektvoll. Ein Vorbild auf und neben der Matte. Sein Weg zum Titel war nicht nur ein sportlicher, sondern auch ein lehrreicher – über Gerechtigkeit, Geduld und den manchmal etwas komplizierten Lauf der Dinge.
Fazit:
Ein Finale, das in Erinnerung bleibt – nicht nur wegen der Punkte, sondern wegen seiner Wendungen. Der Ringsport lebt von Leidenschaft, Präzision und Emotion. Und manchmal auch von kleinen Umwegen, die am Ende doch noch zum verdienten Ziel führen.
Herzlichen Glückwunsch an beide Europameister – und ein besonderes Chapeau an Ibrahim Ghanem für seinen eindrucksvollen Auftritt und seinen verdienten Titel, auch wenn er sich diesen erst im Nachspiel sichern konnte.
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