Weltmeister Frank Stäbler kämpft mit den Folgen seiner Corona-Infektion

ZVW RINGEN: Von unserem Redaktionsmitglied Thomas Wagner

Ringer-Weltmeister Frank Stäbler kämpft mit den Nachwirkungen seiner Corona-Infektion Seit August ist Frank Stäbler ein „Spartaner“, wie sich die Ringer des Bundesligisten ASV Schorndorf nennen. Der stärkste Spartaner, der dreifache Weltmeister Frank Stäbler, kämpft dieser Tage mit einem besonders hartnäckigen Gegner. Im Oktober hat das Coronavirus den 31-Jährigen herausgefordert. Der Verlauf war eher harmlos, die Nachwirkungen indes machen dem Musberger auch einige Wochen später noch zu schaffen: Das Virus hat Stäbler etwa 20 Prozent seiner Leistungsfähigkeit geklaut. Platzt nun womöglich Stäblers großer Traum von den Olympischen Spielen in Tokio? „Die Nachricht war ein riesiger Schlag ins Gesicht“, sagt Stäbler im Interview mit unserem Redaktionsmitglied Thomas Wagner. „Ich möchte alle Ungläubigen warnen: Das Virus gibt es, es ist gefährlich, es greift an.“ Seit Dienstag ist Frank Stäbler „Corona-Botschafter“ der Bundesregierung.

Herr Stäbler, das Jahr 2020 ist eines zum Vergessen: Erst standen Sie ohne Verein da, weil die Red Devils Heilbronn auf die Bundesliga-Saison verzichteten. Dann fanden Sie mit dem ASV Schorndorf einen neuen Club, doch die Saison wurde abgebrochen. Zudem macht Ihnen eine Schulterverletzung zu schaffen, und nun ärgert Sie auch noch das Coronavirus. Wie groß ist Ihr Kampfgeist noch am Ende der Karriere?

Jede Situation hat immer ihren Wert und ihr Gutes. Ich versuche, zu lernen und zu wachsen an diesem Jahr. Es ist eine komplett neue Herausforderung und neue Zeit. Nicht alles ist dabei aber schlecht. Meine Frau ist zum zweiten Mal schwanger, wir kriegen im Februar unser zweites Kind. Das ist schon mal etwas Positives, was in diesem Jahr passiert ist. Und ich habe noch einmal ein Bonusjahr bekommen im Sport. Ich hoffe, ich kann meine Schulter- und Handgelenkverletzung auskurieren, vielleicht ist diese Pause eine neue Chance. Aber klar: Alles andere sind negative Impulse, die einen kaputtmachen können. Ich versuche aber, sie nicht an mich heranzulassen.

Ende Oktober wurde die komplette Bundesliga-Saison wegen der Corona-Pandemie abgesagt. Wie überrascht oder enttäuscht waren Sie?

Das ist in mehrerer Hinsicht katastrophal. Erst einmal war eine riesige Vorfreude da, mit dem Team des ASV Schorndorf zu kämpfen. Dann habe ich auch gleich den ersten Kampf gemacht, es war ein bombastischer Start. Mit Zoltan Levai habe ich einen der stärksten 77-Kilo-Männer der Welt besiegt. Anschließend ist meine Schulterverletzung wieder aufgebrochen. Ich habe eine Woche pausiert, war wieder fit und wollte wieder angreifen, dann kamen Corona und die Quarantäne. Und als ich da wieder rauskam, war die Saison zu Ende. Das war die sportliche Katastrophe.

Aber nicht das einzige Problem.

Nein, der zweite Faktor sind die finanziellen Einbußen. Die ganze Saison mit den Hauptsponsoren bricht weg. Das ist ja nicht nur für mich ein Problem und sehr schmerzhaft, sondern für alle Athleten in einer Randsportart. Und der dritte, wichtigste Punkt: Ich habe immer gesagt, ich nutze die Bundesliga, um meinen ganz großen Traum zu leben. Ich wollte die Saison beim ASV Schorndorf zur Vorbereitung auf die Olympischen Spiele einbauen. Nun sind alle Bausteine weggebrochen. Die Kämpfe fehlen ebenso wie die Erfahrungswerte. Das ist nicht toll und hat mich am Anfang ganz schön runtergezogen.

Gibt’s jetzt eigentlich noch Kämpfe vor den Olympischen Spielen? Die Weltmeisterschaft in Serbien im Dezember wurde ja ebenfalls abgesagt.

Statt der Weltmeisterschaft gibt’s einen reduzierten Worldcup. Doch den habe ich aufgrund meiner Corona-Auswirkungen auch absagen müssen. Das nächste naheliegende Ziel ist im Februar die Europameisterschaft.

Falls sie nicht auch Corona zum Opfer fällt. Ich gehe fest davon aus, dass die EM stattfinden wird. Sie ist eine Woche vor dem Qualifikationsturnier zu den Olympischen Spielen. Wenn die EM abgesagt wird, dann auch die Quali und damit auch Olympia. Das darf und wird nicht passieren. Ich gehe davon aus, dass das im nächsten Jahr durchgeboxt wird.

Nach dem Ergebnis der Leistungsdiagnostik hat Ihre Lunge durch die Viruserkrankung etwa 20 Prozent ihrer Leistungsfähigkeit eingebüßt. Wie groß war der Schock für Sie?

Der war mega groß. Ich bin ja kein Otto Normalverbraucher, was das Körperliche anbelangt. Ich bin top gesund, ernähre mich top. Ohne jetzt überheblich zu klingen: Ich bin in meiner Gewichtsklasse einer der am besten trainierten Athleten der Welt. Und dann haut mich so ein Virus einfach so aus der Bahn. Wenn man den Traum hat, Olympiasieger zu werden, und auch das Potenzial dazu hat und einem dann 20 Prozent von seiner Leistungsfähigkeit fehlen, ist es natürlich ein riesiger Schlag ins Gesicht. Es steht nun ein ganz, ganz großes Fragezeichen über meinem Traum. Keiner weiß, wie’s weitergeht. Wie sind die Langzeitfolgen? Was bleibt hängen? Das wird brutal spannend.

Fühlen Sie sich aktuell wie ein 90-Jähriger? Mein Arzt hat mir gesagt, ich habe eine Schulter wie ein 60-Jähriger, so verschlissen ist sie. Und die Lunge hat sich jetzt, glaube ich, angepasst. Sie ist vielleicht nicht gerade 90, aber 60 ist gar nicht so unrealistisch.

Wie geht’s nun weiter?

An erster Stelle steht jetzt, meine Lungen und Bronchien wieder zu regenerieren, um wieder belastungsfähig zu werden. Das ist die Grundvoraussetzung. Parallel arbeite ich an meiner Schulterverletzung. Ich hoffe, dass ich das in diesem Jahr noch irgendwie hinbekomme, damit ich im nächsten Jahr wieder durchstarten kann.

Wie wird die Lunge behandelt?

Ich gehe nicht den Weg der Schulmedizin und ballere mir jetzt die Sprays rein, um die Lungenfunktion künstlich aufzublasen. Ich gehe einen neuen Weg und arbeite sehr intensiv mit dem Atemcoach Yasin Seiwasser zusammen. Wir versuchen, durch die Kraft der Natur die Funktion wieder zurückzuholen.

Wenn ein Athlet wie Sie die Auswirkungen des Virus so stark spürt, betrachtet man es da mit noch größerem Respekt?

Hundertprozentig. Deshalb bin ich nun sogar für die Bundesregierung als Corona-Botschafter unterwegs. Ich kann authentisch sagen: Corona gibt es, Corona ist gefährlich, Corona greift an – auch wenn man es im ersten Moment nicht sieht und nicht wahrhaben möchte. Ich möchte die Ungläubigen wirklich warnen davor. Ich merke, wie mein Körper damit zu kämpfen hat. Man muss sein Bestmögliches tun, um sich selbst und seine Liebsten vor dem Virus zu schützen.

Inwieweit haben Sie sich von Ihrer Familie ferngehalten während der Quarantäne?

Ich wurde in den Keller ausgelagert (lacht). Für meine Frau, die Oma, die kleine Tochter und das ganze Umfeld war’s sehr schwer. Ich war eigentlich zu Hause und irgendwie doch nicht.

FOTO: Jens Körner
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